‍Es ist grau, windig, und es nieselt. Herbst in Moldawien. Wir stehen an einem alten Hoftor und können das kleine, von Gebüsch zugewucherte Haus kaum entdecken. Als wir eintreten, kommt Lena uns entgegen, auf ihren Stock gestützt, der Rücken gekrümmt. Es ist, als habe sich alles Leid ihres Lebens auf die schmächtigen Schultern der 87-Jährigen gelegt und sie gebeugt. Als ich ihre Geschichte höre, frage ich mich, wieviel an Leid ein Mensch tragen kann...

‍Lena und ihr Mann hatten keine eigenen Kinder. Sie adoptierten einen Sohn und zogen ihn liebevoll groß. Ihr Familienglück fand ein jähes Ende, als Lenas Mann einen Arbeitsunfall beim Schweißen erlitt und sein Augenlicht verlor. Lena, die als Krankenschwester arbeitete, musste nun auch ihren Mann zu Hause versorgen.

Einige Jahre später wurde ihr Sohn von einem Fahrzeug angefahren und verstarb. Lena suchte ihren Sohn 18 Tage lang, bis die Behörden die Identität des Verstorbenen feststellten und den Eltern die traurige Nachricht vom Tod ihres Sohnes überbrachten. Lenas Mann konnte diesen zweiten Schicksalsschlag nicht verkraften und nahm sich das Leben. Lena blieb mit ihrem Leid allein zurück, mit dem Haus und all der Arbeit, für die ihre Kräfte nicht reichen. Mit den finanziellen Sorgen um den Lebensunterhalt, den sie mit 130€ monatlicher Rente nicht bestreiten kann. Dazu kommt im Winter die Kälte. Eine Ladung Holz kostet 300€, und selbst, wenn Lena so einen Betrag aufbringen könnte, wäre das Holz noch nicht gehackt und im Schuppen verstaut.

Als Team der Bibel-Mission sind wir heute bei Lena im Einsatz. Draußen im Hof laden wir Holz ab, zersägen und hacken es in Scheite und legen den Holzvorrat für den Winter an. Während wir arbeiten, kommt Lena immer wieder heraus und sorgt sich um uns. „Ihr seid bestimmt müde, ruht euch ein wenig aus!“

Ich bitte Lena um ein Foto. Sie reicht mir kaum bis zur Hüfte, und sie kommt mir noch kleiner und zerbrechlicher vor. Aber sie segnet uns mit ihrer Dankbarkeit: „Schon zum zweiten Mal rettet mich eure Hilfe, weil euer Team aus Deutschland und die Gemeinde mich versorgen. Danke!“

Wir freuen uns, dass wir Lena dienen und ihr Wärme und Hoffnung bringen konnten – ein Licht in der grauen Kälte ihres einsamen Alltags. Ein Licht, das auch die Nachbarn wahrnehmen werden. Ein Zeugnis für Gottes Liebe.